Die ökonomische Blockade und ihre Folgen

Die ökonomische Blockade und ihre Folgen

Nepal – Wie die Blockade der Ländergrenzen das Binnenland Nepal in eine humanitäre Krise stürzt

Mit der Verkündung der neuen Verfassung am 20. September 2015 begann die andauernde Odyssee des kleinen – von einem schweren Erdbeben im April gebeutelten – Staates im Himalaya. Nach jahrelanger Amtsführung mit einer Übergangsverfassung des seit 2008 demokratischen Staates Nepal sollte die Promulgation der Verfassung nicht nur die langersehnte Ruhe in das ehemalige von Bürgerkrieg geplagte Königreich bringen, sondern insbesondere nach dem desaströsen Beben das nepalesische Volk vereinen, stärken und die Lebensbedingungen der Bürger des armen Landes ganzheitlich verbessern.

Die neue nepalesische Verfassung will allem voran die Diskriminierung durch Geschlecht, Religion, Ethnie und Kaste langfristig beenden, künftig verhindern und wurde für diese Artikel weltweit gelobt. Die Welt schaute erneut kurz auf das Dach der Welt und viele Staatschefs beglückwünschten Nepal zu einer fruchtbaren Verfassung. Proteste gegen diese Verfassung traten vorwiegend außerhalb der Hauptstadt Kathmandu auf. Während im Kathmandu-Tal insbesondere in den Straßen der Hauptstadt die Verfassung überwiegend gefeiert wurde, war es im Süden des Landes – im sogenannten Terai – bereits in den Wochen zuvor zu Ausschreitungen in Erwartung einer Diskriminierung dort ansässiger Minderheiten gekommen. Gewaltsame Aufstände und die Verhängung einer Ausgangssperre, die das Leben der sehr armen Menschen im Süden des Landes bereits zu diesem Zeitpunkt massiv einschränkte, waren die Folge.

Nach dem 20. September des letzten Jahres kam es zu heftigen Einschränkungen des täglichen Lebens im gesamten Land. Die ethnische Minderheit der Madhesis aus dem Terai fühlt sich durch die neue Verfassung diskriminiert und im Parlament nicht angemessen vertreten. Sie fordern die Korrektur der Verfassung und möchten diese gewaltsam durch Blockaden an den Grenzübergängen durchsetzen. Indien verneint seither jegliche Solidarisierung mit der betroffenen Volksgruppe und will von einer offiziellen Blockade zu Nepal nichts wissen. Seit Verkündung der Verfassung wird nur ein Bruchteil der sonst nach Nepal eingeführten Güter über die Grenzen transportiert. Die für das Leben der Menschen – im zwischen China im Norden und Indien im Süden eingeschlossenen Land – essentiellen Güter wie Gas, Benzin und Medikamente werden inzwischen lebensbedrohlich knapp und bringen das arme Land zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stillstand.

Die Menschen müssen statt Gas mit vom Staat verkauften Feuerholz hantieren, Schulen und Universitäten sind zu großen Teilen seit Monaten geschlossen, da der öffentliche Verkehr aufgrund der Benzinknappheit teilweise zum vollständigen Erliegen kommt. Krankenhäuser werden zum Teil geschlossen, nicht lebensbedrohliche Operationen werden bis auf weiteres verschoben. Apotheken sind in weiten Teilen des Landes nicht mehr in der Lage, die Nachfrage zu bedienen. Geschäfte und Restaurants sind – wenn überhaupt – nur bedingt und mit stark reduziertem Angebot geöffnet.

Der Schwarzmarkt floriert und macht es für den überwiegenden Teil der Bevölkerung durch massiv gestiegene Preise unmöglich, Güter zu erwerben. Der Staat erweitert in Folge der Blockade das Stromnetz, was die Haushalte normalerweise in zwei Phasen ca. 4-6 Stunden mit Strom versorgt und befüllt Fahrzeuge an bestimmten Tankstellen mit einer vorgesehenen Menge an Benzin. Hierbei werden Schulbusse, staatliche Fahrzeuge und Journalisten bevorzugt bedient, so dass private Fahrzeuge tagelang anstehen müssen, um wenige Liter Benzin tanken zu können, wenn sie überhaupt an die Reihe kommen.

Der Tourismus ist bereits wegen des Erdbebens eingebrochen, doch diese Blockade könnte die folgende, wichtige Saison gefährden, während schon in den letzten Monaten weniger Menschen nach Nepal reisten. Die zu erwartende humanitäre Krise übersteige nach nepalesischen Schätzungen bei Weitem die Auswirkungen des verheerenden Erdbebens. Die nepalesische Regierung und der überwiegende Teil der Bevölkerung sieht in der Blockade eine inoffizielle Blockade Indiens, um die historische Superiorität Indiens gegenüber Nepals zu beweisen – auch wenn die Indische Regierung dies bis heute verneint. Indien hat die Abhängigkeit des eingeschlossenen Nepals zuvor genutzt, um den Güterverkehr des Landes massiv einzuschränken und das Leben in Nepal zum fast vollständigen Erliegen gebracht. Zwar bestehen auch gütervertragliche Beziehungen zu China, jedoch ist Nepal auf den Handel mit Indien angewiesen. Zugangsstraßen zu China werden künftig verbessert und der Handel ausgebaut werden, um die Abhängigkeit zu Indien zu verringern. Zwar stehen die Indische und die Nepalesische Regierung in Kommunikation, jedoch sind politische Annäherungen, welche die nunmehr fünf monatelange Blockade beenden könnte, nur gering, so dass damit zu rechnen ist, dass sich die Situationen in Nepal weiterhin verschlechtern wird – in einem Land, in dem sehr arme Menschen noch immer mit den schweren Folgen des Bebens zu kämpfen haben und die Temperaturen stetig sinken.

Die Stärke der Nepalesen ist bewundernswert, jedoch stellt sich die Frage wie lange sie unter diesen Bedingungen noch durchhalten und es zu noch massiveren Ausschreitungen kommen wird. Die Nepalesen sind stolz auf ihre Demokratie sowie ihre Unabhängigkeit. Sie waren auf einem guten Weg die Bedingungen im gesamten Land zu verbessern. Nun wurden sie in ihrer Entwicklung um Jahre zurückgeschmissen. Es bleibt die Hoffnung, dass Indien die Grenzen sehr bald öffnet und Nepal sicher wieder aufbauen kann.

geschrieben von Jenna
(mehr von ihr: hier)

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